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«Die zügeln illegal 250 Millionen ab»

Kürzlich boten Sie FDP-Nationalrat Marcel Dobler einen Sitz im Verwaltungsrat an, obwohl er das neue Geldspielgesetz vehement bekämpft. Wollten Sie ihn kaufen?

Marc Baumann: Natürlich nicht. Die FDP-Fraktion hat das Geldspielgesetz ja sehr deutlich angenommen. Doblers Erfahrung als Unternehmer im Onlinebereich machte ihn für uns zu einem interessanten Gesprächspartner. Dass er meine Anfrage für den Abstimmungskampf missbraucht, enttäuscht mich. Allerdings muss ich mich auch selber kritisieren: Ich hätte die Anfrage erst nach der Volksabstimmung vom 10. Juni machen sollen.


Wussten Sie bei der Anfrage, dass er das Gesetz bekämpft?

Ja. Aber das war für mich kein Thema, weil aus unserer Sicht kein Zusammenhang zwischen dem Gesetz und unserer Anfrage bestand.


Verstehen Sie, dass Ihre Anfrage für viele nach Korruption riecht?

Wer die Hintergründe nicht kennt, kommt vielleicht auf diese Idee. Wie gesagt: Ich hätte Herrn Dobler erst nach der Abstimmung anfragen sollen.


Einer Ihrer Mitstreiter für das neue Gesetz, Swisslos-Präsident Josef Dittli, sagte, wer eine solche Anfrage mache, sei «kaum mehr tragbar».

Ich kenne Herrn Dittli nicht, er kennt die Hintergründe nicht. Aber ich nehme ihm diese Aussage nicht übel.


Die Casino-Lobby steht im Verdacht, sie habe das neue Gesetz quasi selber geschrieben und durchs Parlament gepeitscht. Stimmt das?

Chabis! Wir haben uns wie üblich in der Vernehmlassung eingebracht, wie auch die Lotterien, Suchtfachstellen, Kantone und andere Interessengruppen. Und ja, wir hatten Einsitz in der Expertengruppe, die das Gesetz vorbereitet hat, aber das hatten die anderen Gruppen auch. Daraus resultierte nach mehreren Jahren eine ausgewogene Vorlage, wie meist in unserem Land. Das Parlament sagte sehr deutlich Ja, der Ständerat sogar mit 43 zu 1. Die Kantonsvertreter wissen, wie wertvoll die Millionen sind, die in gemeinnützige Projekte fliessen.


Jedenfalls fiel das Gesetz in Ihrem Sinne aus: Nur einheimische Casinos sollen Konzessionen für Geldspiele im Internet erhalten. Die Anbieter, die den Markt heute dominieren, werden mit Netzsperren belegt. Das ist Heimatschutz.

Falsch. Das Geldspiel ist stark reguliert, und das zu Recht. Geldwäscherei, Betrug und Spielsucht sind Dauerthemen. Onlineanbieter aus dem Ausland, die ja alle illegal operieren, fischen sehr viel Geld aus dem Schweizer Markt. Aber sie liefern nichts an die AHV ab und unternehmen nichts gegen die Spielsucht. Ihr Anteil wächst laufend, die Zahlen sind erdrückend: 2007 lieferten die Schweizer Casinos der AHV 455 Millionen Franken ab, 2016 nur noch 275 Millionen. Diese Entwicklung können wir nur mit dem neuen Gesetz stoppen. Deshalb hat das Parlament entschieden, den Onlinemarkt vorerst nur für jene Anbieter zu öffnen, die man kennt und die gut mit den Behörden kooperieren.


Warum sollen nicht auch andere Anbieter Onlinekonzessionen erhalten, wenn sie sich an unsere Regeln halten?

Das können sie. Sie müssen einfach mit einem Schweizer Casino zusammenarbeiten. In sechs Jahren schreibt der Bund zudem das nächste Mal alle Konzessionen neu aus. Dann können sich alle dafür bewerben. Sie müssen aber beweisen, dass sie einen einwandfreien Ruf haben. So will es das Gesetz.


Dazu müssten Onlineanbieter ein analoges Casino betreiben. Das ist doch nicht in deren Interesse.

Wir reden hier von Unternehmen, die seit Jahren illegal in der Schweiz tätig sind, sich einen Deut um unsere Gesetze scheren, hier ungehindert Onlinespiele anbieten, obwohl das verboten ist. Sie machen das grosse Geld, ohne einen Rappen an die Allgemeinheit abzugeben. Ihre Gewinne wachsen laufend, und wir geraten zunehmend unter Druck, weil wir uns an die Gesetze halten. Das ist stossend.


Stellen Sie die Onlineanbieter jetzt nicht etwas gar bösartig dar?

Es sind sicher nicht alle gleich. Aber jene, die den Schweizer Onlinemarkt heute beherrschen, halten sich nicht an die Regeln. Sie zügeln 250 Millionen Franken pro Jahr aus der Schweiz ab, ohne einen Rappen an die AHV zu bezahlen. Sie richten sich direkt an Schweizer Spieler und nehmen Einsätze in Franken entgegen. Das ist illegal. Namen will ich keine nennen.


Aber es gibt auch seriöse Anbieter. Wieso sollen die keine Möglichkeit haben, reine Onlinekonzessionen zu beantragen?

Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie daran interessiert sind. Die Abgaben, die der Bund plant, sind die höchsten in ganz Europa. Wir rechnen mit einem durchschnittlichen Abgabesatz an die AHV von 40 bis 50 Prozent, während in anderen Ländern wie Dänemark Sätze von 20 Prozent oder tiefer gelten. Zudem haben wir wohl die strengsten Auflagen für den Schutz vor Spielsucht sowie gegen Geldwäscherei und Betrug. Auch die Auflagen für den Spielerschutz sind hier extrem streng. Wissen Sie, was die grosse Ironie bei alldem ist?


Bitte?

Sogar wenn die Schweiz ihren Markt für reine Onlineanbieter öffnen würde, müsste sie Zugangssperren einführen. Kein Anbieter wird eine Konzession lösen und sich damit verpflichten, die Regeln einzuhalten und hohe Steuern zu bezahlen, wenn er weiss, dass die Konkurrenz dieselben Geschäfte illegal betreiben kann, steuerfrei und ohne Aufsicht. Ohne Zugangssperren sind die Konzessionen wertlos. Auch Dänemark, das von den Gegnern des Geldspiel­gesetzes gern genannte Vorbild, kennt Netzsperren.


Warum kann der Staat nicht auf Netzsperren verzichten und illegal tätige Anbieter rechtlich belangen?

Weil es nicht geht. Die Schweiz hat keine Möglichkeit, illegale Anbieter zu packen, die an Offshorestandorten sitzen und behaupten, ihre Lizenzen seien europaweit gültig. In Deutschland dauerte es sieben Jahre, um ein Gerichtsverfahren gegen zwei Anbieter aus Malta und Gibraltar abzuschliessen. Und Malta gehört ja immerhin zur EU. Man weiss, dass dort Hunderte Unternehmen Onlinelizenzen gekauft haben. Die sind auch bei uns tätig. Andere einschlägig bekannte Anbieter sind in Staaten daheim, die rechtlich noch schwerer zu packen sind. Deshalb ist der Weg über Zugangssperren effizienter.


Steigt Ihr Casino in den Onlinemarkt ein, wenn das Gesetz durchkommt?

Das ist geplant, aber noch nicht definitiv entschieden. Wir prüfen zurzeit die Zusammenarbeit mit einem ausländischen Unternehmen, das im Onlinemarkt Erfahrung hat.


Dabei handelt es sich aber nicht um ein Unternehmen, das heute in der Schweiz illegal arbeitet?

Nein. Das wäre nicht erlaubt. Der Bund wird festlegen, wie lange Unternehmen, die heute illegal Onlinespiele anbieten, sich aus der Schweiz fernhalten müssen. Erst wenn sie einen einwandfreien Ruf haben, dürfen sie hier tätig werden, in Zusammenarbeit mit einem Casino.


Wie können Sie den Spielerschutz im Internet sicherstellen?

Das ist einfacher als in einem normalen Casino. Im Internet können wir das Verhalten der Spieler lückenlos verfolgen. Wenn jemand auffällig wird und zum Beispiel stundenlang ohne Pause spielt, kontaktieren wir ihn und suchen das Gespräch, wie im normalen Casino auch.


Spielen Sie selber auch um Geld?

In der Schweiz darf ich gar nicht spielen. Alle Angestellten von Schweizer Casinos haben ein generelles Spielverbot hierzulande. Diese Vorschrift dient der Sicherheit der Casinos und der Mitarbeitenden. Wir müssen mit allen Mitteln die Integrität unseres Personals sicherstellen. Unsere Angestellten dürfen weder Betreibungen haben noch in strafrechtliche Verfahren verwickelt sein.


Wie viele Casinobesucher gehen als Verlierer nach Hause, wie viele als Gewinner?

Wir kennen nur die Wahrscheinlichkeiten. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Das mathematische Risiko beim Roulette liegt bei 2,7 Prozent zugunsten der Bank. Das heisst, wenn ein Roulettespieler 100 Franken einsetzt, hat er am Schluss im Durchschnitt noch rund 97 Franken. Man nennt das die Auszahlquote. Das sind aber nur statistische Werte, es gibt sehr grosse Schwankungen.


Was wurde aus der Frau, die 2016 in Ihrem Casino an den Automaten den Jackpot geknackt und 7,5 Millionen Franken gewonnen hat?

(lächelt) Eine sehr sympathische Frau, sie kommt noch immer ab und zu vorbei zum Spielen. Wir haben ihr empfohlen, sich an einen Vermögensberater zu wenden. Das tun wir bei allen, die gewinnen. Die Frau hat mir erzählt, dass sie dank diesem Gewinn ihrer Tochter eine Ausbildung finanzieren könne. Eine schöne Geschichte.

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